Қазақстан – Field SummerSchool September ‘15

Staubtrockene Pisten, am Horizont tauchen trockene Hügel auf, die von vielen Rillen und Tälern zerfurcht sind. Aus den Lautsprechern des Busses dudelt das Endlos-mp3 unseres Fahrers, kasachische Schlager wechseln mit russischen Retrohits. Eine Tüte mit irgendetwas Essbarem geht rum, in 2 Stunden ist der nächste Stopp angepeilt. Ich glaube, alle sind ganz zufrieden in dem Moment. Tür zu, Musik an und weiter geht’s. –

Text von Alexander Hahn und Bilder von Katharina Schilling und Teresa Schlemmer

Im September 2015 waren die Leipziger Geografen wieder in Kasachstan unterwegs. Im Rahmen der Field SummerSchool 2015 ging es von Almaty aus durch den Oblast Almaty im Südosten des großen Landes. Die SummerSchool stand unter der großen Thematik „Water issues“. Wir beschäftigten uns aber natürlich auch mit geologischen, bodenkundlichen und landeskundlichen Themen. Wie schon 2013 wurde der Aufenthalt in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Geographie der staatlichen kasachischen National-Universität Al-Farabi in Almaty und der Geowerkstatt Leipzig e.V. organisiert. Unterstützt wurde die SummerSchool wiederum vom EU-Tempus Projekt: „Integrated water cycle management; building capability, capacity and impact in education and business“. Welche Spuren hinterließ also die Gruppe Studierender aus Leipzig im Spätsommer des Jahres MMXV am südlichen Rand der großen Steppen?

Wir hinterließen eine Palette Eier und mehrere Spaghettitüten (wenn sie nicht schon längst aufgebraucht sind), zwei freudige Jugendliche, die feixend ihre eigenen Getränkepreise für uns errechneten, als wir unverhofft an einem Montagabend in Taldykorgan ins gähnend leere Restaurant mit eigenem DJ (!) kamen. Ein Übersetzer, der sich wohlmöglich mit leichten Schrecken an die Bergtour mit uns erinnert (ihm stieg die kräftige Sonneneinstrahlung zu Kopf und daraufhin bekamen wir eine neue, sehr gute Übersetzerin). Unser Fahrer bleibt in Erinnerung, der sich während der Fahrt (noch) nicht so ganz von den Musikvorlieben der Leipziger Studierenden überzeugen ließ und die Mitfahrenden auf den hinteren Sitzen gerne öfter mal gefährlich nahe an die Busdecke „hüpfen“ ließ. Und da war natürlich noch der kasachische Universitätsprofessor Sanat, der oft mit uns die Karten bei dem bekannten Kartenspiel Durak fliegen ließ und uns alle gerne zum Glas Wodka einlud. Unser kasachischer Professor Sanat Tugelbaev überzeugte neben seiner Spiel- und Trinkfreudigkeit vor allem durch die Einfädelung lukrativer „Deals“, die uns selbst noch bei Ankunft in völliger Dunkelheit am letzten Fleck dieses Planeten noch ein gemütliches Bett, eine warme Banja und reichlich Brot und Marmelade oder auch ein leckeres Hammelgericht sicherte. Der deutsche Studententrupp rieb sich mehrfach verwundert die Augen, als der kasachische Professor in verschiedene Wagen der Ortsansässigen nach kurzer Unterhaltung einstieg und erstmal davonbrauste. Aber keiner machte sich ernsthaft Sorgen, denn meist nach einer halben Stunde tauchte er aus der völlig anderen Richtung wieder auf und stieg mit einem anderen Kasachen bei uns im Bus wieder ein. Da war der Deal dann geritzt.

Oftmals kamen wir bei Familien in kleinen Orten unter, die für uns sogar in andere Teile des Hauses zogen, damit wir dort übernachten konnten. Es war dort sehr idyllisch und versorgt wurden wir meistens auch sehr gut. Nur die Sprachbarriere war ein großes Hindernis, um mehr mit den Menschen in Kontakt zu kommen und etwas über ihre Kultur zu erfahren.

der immer wiederkehrende Dauerwitz der Kefirbällchen als übliches Schmiermittel in dem mittelasiatischen Schwellenland füllte die Lücken zwischen den wissenschaftlichen Besprechungen mit viel Freude. Hier zu sehen: Die „Studenten“ bei der Dégustation eines besonders schmackhaften Exemplars. ©Katharina Schilling

Neben diesen amüsanten Ereignissen, von denen es noch viele weitere gab, wurde natürlich auch gewissenhaft und eifrig analysiert und geforscht. Im Grunde führte uns unsere Route zu den gleichen Punkten, die schon 2013 angesteuert wurden (damals gab es auch einen Bericht in der „entgrenzt“ Ausgabe 7).

Im Transili-Alatau, südlich von Almaty, nahmen wir die Hochgebirgs- landschaft mit ihren Gletschern in Augenschein. Dort konnten wir starke Eingriffe in die Berglandschaft beobachten, wie z.B. einen gigantischen Schutzdamm, der die Millionenstadt vor katastrophalen Murenabgängen schützen soll. Außerdem wurde an einem ganzen Hang der Oberboden umgegraben, um das neue Skigebiet wieder in Winterform zu bringen. Daneben standen exquisite Immobilien für die kasachische Oberschicht. Überhaupt gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen der boomenden Metropole Almaty mit seinen vielen neuen Wolkenkratzern, dem Bankenviertel und Luxushotels und dem ländlichen Teil des Landes oder anderen kleineren Städten, wo weit, weit weniger Geld fließt und wo die Menschen wirklich noch nach Tag und Nacht im einfachen Sinne leben.

Das neue Skigebiet Shymbulak – Im Hintergrund ist Almaty unter eine Smogglocke zu erkennen ©Teresa Schlemmer

Auf dem weiteren Weg machten wir uns mit der Hügelgräberkultur bekannt, besprachen alte Flussterrassen und die Entstehung der Kolsai-Seen durch „Einmal-Ereignisse“ wie Erdbeben. Für die Wanderung zu den drei Kolsai-Seen muss man immer einen Posten des Nationalparks passieren, der einen nur durchlässt, nachdem von allen Reisenden die Pässe gecheckt wurden und wenn man der kleinen „Behörde“ glaubhaft und mehrere Male versicherte, dass man auch wirklich am selben Tag noch zurückkehren würde. Das liegt daran, dass die Kolsai-Seen in der Grenzregion zu Kirgistan liegen und der Übergang nur an genau drei offiziellen internationalen Grenzübergängen erlaubt ist. Viele schwärmen noch von den Tagen in den 90er Jahren, als der berühmte Trans-Alatau Trek von Almaty über die hohen 3000er Passwege zum Issyk-Kul See in Kirgistan erlaubt war.

Die Landschaft dort ist urtümlich und eher wenige Touristen verirren sich in diese abgelegene Region, die auch schon sehr nah an der Grenze zu China liegt. Unsere SummerSchool führte uns dann wieder etwas nördlich, parallel zur Grenze nach China, die dort recht willkürlich gezogen scheint – mitten durch eine zusammenhängende Ökoregion, dem Einzugsgebiet des Ile-Flusses, der in seiner Größe das Siebenstromland beherrscht. Der Fluss kommt wie ein träger, von Sedimenten braun gefärbter Strom daher, der langsam Richtung Wüste fließt, und auf seinem Weg mehr und mehr Wasser verliert, bis er in seinem Delta in viele kleine Arme verzweigt in den Balchasch-See mündet. Der Fluss spielt eine enorm wichtige Rolle für das Funktionieren des Lebens in der Region. Zum einen für die Landwirtschaft in seiner unmittelbaren Umgebung. Zum anderen für die Wasserversorgung der Großstadt Almaty, sowie für die Stromerzeugung am Kapchagay-Stausee. Wie auch in den anderen trockenen Regionen Zentralasiens steht der Ile unter hohem Nutzungsdruck und einer hohen Nutzungskonkurrenz. Ein Abkommen mit China über die Wasserverteilung gibt es nicht. Vorausgesagt wird auch, dass der Balchasch-See schwinden wird. Als Steppenendsee droht ihm das gleiche Schicksal wie dem Aralsee. Momentan jedoch steigt der Durchfluss im Ile-Fluss wieder. Scheinbar gibt es also keinen Grund, sorgsamer mit dem Wasser umzugehen. Doch der erhöhte Abfluss kommt nur zustande, da die Gletscher abschmelzen, und wenn diese irgendwann mal weg sind, dann wird es sehr viel weniger Abfluss geben als heute, und die Region steht vor einem großen Problem.

Den Ile-Fluss überquerten wie nochmals in der Nähe der Delta Region, dort führt er weniger Wasser, ist aber viel klarer – warum? Das liegt an dem Stauseebecken, wo sich die Sedimente ablagern, sodass der Fluss dort fast durchsichtig ist.

Der Ile-Fluss auf der Brücke zwischen den Orten Shonzy und Koktal. Es herrschten starke Winde. ©Teresa Schlemmer

Etwas Besonderes war die singende Düne im Altyn Emel Nationalpark. Sie ist 150 Meter hoch und fordert durchaus die Kondition ihrer Besteiger. Entstanden ist sie vermutlich aus Sanden vom Flussbett des Ile, die während einer trockeneren Klimaperiode ausgeblasen wurden. Zwei Höhenzüge und der Fluss zwängen die Düne in einer Art Dreieck ein, wodurch die Bewegung der Düne eingeschränkt wird. Sie ist die einzige große Düne in der Umgebung. Ungeklärt ist noch immer das Phänomen, das beim Abrutschen über die Düne zu hören ist. Man hört ein dumpfes Grollen und man stellt sich vor wie der Sand unter einem arbeitet. Forscher haben herausgefunden, dass die Sandtöne aus der synchronisierten, freien Gleitbewegung von trockenem, grobkörnigerem Sand stammen, der über den Untergrund rutscht und dabei Schwingungen mit niedriger Frequenz auslöst.

Auf der „Singenden Düne“ ©Katharina Schilling

Hinter einem abdeckenden Gebirgszug kamen wir in Gebiete mit leicht höheren Niederschlagssummen (ca. 300 mm). Dort schauten wir uns die riesigen Felder an, die Teil der Neulanderschließungspolitik in der Sowjetunion waren. Viele dieser extrem ehrgeizigen Projekte sind zusammengebrochen. Auf dem Weg konnten wir immer wieder kaputte Bewässerungssysteme und brachliegende Felder beobachten, doch einige sind noch heute in Betrieb. Es war diese Politik, die letztendlich auch das Austrocknen des Aralsees billigend in Kauf genommen hat.

Neulanderschließung mit den vielen Baumreihen für den Windschutz. ©Katharina Schilling

Auf dem Balchasch-See schaukelten wir übrigens auch noch – noch ist er ja da.

Es war eine sehr schöne Field SummerSchool. Die Gruppe hatte eine gute Dynamik, es war harmonisch und wir hatten mit Professor Burghard Meyer und dem Doktoranden Christian Schneider zwei fachkundige Experten dabei. Dadurch kamen auch immer wieder spannende Diskussionen auf. Zudem hatten wir nach dem krankheitsbedingten Ausfall unseres ersten Übersetzers eine tolle kasachische Studentin, die nicht nur übersetzte, sondern auch zwischen den Parteien vermittelte, wenn es um die Aushandlung von Fahr- oder Übernachtungspreisen ging.

Es war also schön und der nächste Besuch kann kommen. In diesem Sinne, Pravashen‘ya

 

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