Naumburg im Nachgang – ein Exkursionsbericht

Seuchenbedingt ist die Exkursionstätigkeit zur Zeit nicht möglich – aber es gibt ja auch über Exkursionen zu berichten, die bereits stattfanden. So machte sich vor fünf Jahren eine zehnköpfige Truppe unter Leitung von Jürgen Manthey auf, bei einigen Grad Celsius über null das spätherbstliche Naumburg an der Saale zu besuchen. Vom Ankündigungsplakat her kannten die Teilnehmenden außer dem Dom lediglich eine Gasse.

Text von Jürgen Manthey
Fotos von Chihiro Feuerbach-Suto und Frank Feuerbach (Exkursionsteilnehmer)

Aufgrund des Namens kann man davon ausgehen, dass die Stadt Naumburg direkt an der Saale liegt. Das ist aber nicht wirklich der Fall: Der Fluss mäandert in weitem Bogen um die Flussterrasse, auf der die Stadt hauptsächlich liegt. Diese saalekaltzeitliche Terrasse war schon früh recht beliebt: Wie archäologische Grabungen zeigten, wurde hier seit 7000 Jahren fast ununterbrochen gesiedelt. Das verwundert kaum, war doch die Flussterrasse vor Überschwemmungen geschützt. Die Saaleniederung konnte aufgrund der fruchtbaren Auensedimente landwirtschaftlich genutzt werden und wird es noch heute. So gibt es beispielsweise Sonderkulturen und es findet sich noch so manche Streuobstwiese. Vom Höhenunterschied zwischen Saaleniederung zur Flussterrasse von gut 25 m konnten sich die Exkursionsteilnehmer selbst überzeugen.

Die Geschichte der Stadt Naumburg beginnt etwa um das Jahr 1000, als der mächtige Markgraf von Meißen hier eine neue Burg errichten ließ, was sich im Stadtnamen Naumburgs niederschlägt. Der Zeitzer Bischof verlegte kurz darauf seinen Amtssitz in den Schutz dieser neuen Burg und es begann der Bau des Naumburger Doms. Burg und Dom bilden den ersten Siedlungskern der Stadt. Ein zweiter liegt etwas entfernt davon an der Kreuzung zweier Handelsstraßen. Ab dem 12. Jahrhundert ließen sich dort vermehrt Handwerker und Händler nieder. Diese scheinen mehrere Jahrhunderte lang wirtschaftlich recht erfolgreich gewesen zu sein, konnten doch beachtliche kommunale Gebäude errichtet werden wie die mächtige gotische Stadtkirche, das weiträumige Rathaus oder die teilweise noch heute sichtbare, aufwendige Stadtbefestigung. Aber auch an den prächtigen Gebäuden der Gewerbetreibenden selbst lässt sich deren einstiger Wohlstand ablesen: durch große Gebäude mit weiten Hofeinfahrten und mehrgeschossigen Warenspeichern.

In den kommenden Jahrhunderten trat ein wirtschaftlicher Niedergang ein, der mit zahlreichen Kriegen ebenso zusammenhängt wie mit der zunehmend übermächtigen Handelskonkurrenz in Leipzig. Sichtbar ist das daran, dass die meisten prachtvollen Gebäude der Naumburger Altstadt tatsächlich mittelalterlich und frühneuzeitlich sind. Danach wurde eher schmucklos gebaut oder nur ausgebessert. Erst mit dem 19. Jahrhundert wurden wieder repräsentativere Gebäude errichtet: Ein Wachstumsimpuls kam, als auf den Ruinen der Burg das Oberlandesgericht der preußischen Provinz Sachsen (dem späteren Sachsen-Anhalt) gebaut wurde. Um 1900 entstanden zahlreiche Kasernen und die Stadt etablierte sich als beliebter Altersruhesitz preußischer Beamter, die rund um die Altstadt Villen errichteten. Zudem wurde Naumburg vor 1850 an das Eisenbahnnetz angeschlossen – der am Rande der Stadt gelegene Bahnhof stammt noch aus dieser Zeit.

Die Stadt wurde im 2. Weltkrieg kaum zerstört. Während der DDR-Zeit vernachlässigte man deren Bausubstanz aber stark – Altbausanierung bedeutete wie andernorts auch zumeist Abriss und Neubau. Dennoch konnte Naumburg sein charakteristisches Stadtbild erhalten und nach der deutschen Wiedervereinigung an einem gesonderten, behutsamen Stadtsanierungsprogramm teilnehmen. Aufgrund der größtenteils abgeschlossenen Sanierung der historischen Innenstadt und der lieblichen Landschaft in der Umgebung vermochte sich die Stadt zu einem unter Touristen beliebten Anlaufpunkt zu entwickeln. Diese Entwicklung wurde durch die Anerkennung des Naumburger Doms als Teil des Weltkulturerbes der UNESCO vor zwei Jahren verstärkt – letzteres konnten wir auf der Exkursion vor fünf Jahren aber noch nicht ahnen.

Trotz der unbestrittenen Attraktivität, die Naumburg auf Besucher ausübt, handelt es sich um eine schrumpfende Stadt mit abnehmenden Einwohnerzahlen. Sicher gab und gibt es zahlreiche Bemühungen seitens der Stadtverwaltung, diesem Trend entgegenzuwirken und v. a. in der Innenstadt mit ihren charakterbildenden Gebäuden Wachstumsimpulse zu setzen. So gab es ein gezieltes Marketing zum Verkauf und zur Wiederbelebung innerstädtischer Gebäude unter dem Motto: Dieses Haus will leben. Dennoch findet man gerade dort, aber auch in den außerhalb der Innenstadt gelegenen Villen aus Gründerzeit und Jugendstil zahlreiche leerstehende Gebäude von morbider Schönheit.

Es gibt aber auch bürgerschaftliches Engagement. So wurde die im späten 19. Jahrhundert angelegte und nach 1990 stillgelegte Straßenbahn durch einen Verein wiederbelebt und konnte 2007 wieder in Betrieb gehen, wenn auch nicht mehr als Ringbahn. Bei einem spontanem Besuch im Straßenbahndepot wähnten wir uns in einem Museum, doch die historischen Fahrzeuge aus den 1920er bis 1970er Jahren verkehren im regulären Fahrbetrieb, wie uns ein freundlicher Mitarbeiter versicherte.

Die Exkursion stand unter dem Motto: Im Raume lesen wir die Zeit. Es zitiert einen Buchtitel von dem berühmten Historiker Karl Schlögel. Aufgrund der gelungenen Aufwärmaktion mit Hilfe von Heißgetränken und anhand der positiven Reaktionen der Teilnehmenden insgesamt kann die Exkursion wohl als gelungen gelten, auch wenn der Gesang in der Krypta des Naumburger Domes nur pseudolateinisch war.

Zum Schluss noch des Rätsels Lösung, welche Gasse wohl am Anfang abgebildet wurde. Es ist die Jüdengasse, die Wohnstatt Naumburger Juden vor 500 Jahren, ehe sie ausgewiesen wurden.

 

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