Junior-Ranger im Neuseenland thematisieren die „verlorenen gegangenen Ortschaften“ und besuchen den Bergbau-Technik-Park im Leipziger Süden

Im September 2021 ging es mit den „Junior-Rangern im Neuseenland“ inhaltlich weiter. Bei unserer dritten Tour in den Leipziger Süden haben wir uns den „verlorenen Orten“ gewidmet. Viele Ortschaften wurden durch den Braunkohlebergbau zerstört und abgetragen und die Bewohner mussten umgesiedelt werden. Welche Ortschaften gingen verloren? Wohin sind die Bewohner gezogen? Im zweiten Teil der Veranstaltung haben wir uns im Bergbau-Technik-Park verschiedene Großgeräte aus dem ehemaligen Tagebaubetrieb angesehen. Spannende und interessante Informationen dazu gab es von Thomas Schmidt – einem ehemaligen „Braunkohle-Kumpel“. Einen kleinen Bericht zu unseren Aktivitäten an diesem Tag, zum Junior-Ranger-Projekt und den Inhalten könnt ihr hier nachlesen.

Text von Ronny Schmidt und Fotos von Martin Rust

Nachdem uns der Neustart im Juli 2021 gelungen ist, wollten wir nach den Sommerferien 2021 natürlich nachlegen und uns thematisch weiter mit dem Leipziger Neuseenland beschäftigen. Bei der Fahrradtour im Juli 2021 hatten wir uns explizit dem vom Braunkohletagebau verursachten Landschaftswandel gewidmet. Wir haben uns ein Bild von der Zerstörung der Landschaft, der Auenwälder von Pleiße und Weißer Elster, der landwirtschaftlichen Flächen sowie der natürlich „gewachsenen Böden“ gemacht und dies auch versucht bildlich festzuhalten. Die Region südlich von Leipzig war aber auch schon vor dem Braunkohlebergbau besiedelt. Viele kleine Ortschaften prägten die Landschaft. Umgeben waren die Ortschaften von großen, relativ ertragreichen Ackerflächen.

Beispielhaft haben wir am Tagebau Espenhain die Auswirkungen des Tagebaubetriebs und den Verlust einzelner Ortschaften untersucht. Die vom Braunkohletagebau vereinnahmten Flächen sind dabei riesig! Die Landschaft zwischen Markkleeberg (im Norden), Böhlen, Rötha, Espenhain und Mölbis (im Süden) sowie Güldengossa und Störmthal (im Osten) war eine relativ flache, leicht wellige Landschaft. Die ackerbaulich genutzten Flächen wurden nur von wenigen Wäldern durchbrochen. Geprägt wurde dieser Teil zudem durch die Flussauen von Pleiße und Gösel. Mit dem Einzug des Braunkohlebergbaus in das Gebiet kam es zu einer Fülle von einschneidenden Veränderungen.

Der Tagebau Espenhain wurde zwischen 1937 und 1944 aufgeschlossen. Aufgrund der geplanten Fördermengen an Braunkohle pro Jahr entstand ein Tagebau von gewaltigen Ausmaßen. Allein die Landinanspruchnahme für das „Baufeld West“, in dem zwischen 1940 und 1980 ca. 456 Mio. t Braunkohle gefördert wurden, beläuft sich auf ca. 2.630 ha Land. Insgesamt wurden fast 4.000 ha Fläche durch den gesamten Tagebau Espenhain verändert, zerstört, abgetragen oder zugeschüttet. Das dabei natürlich auch Ortschaften abgebaggert und devastiert werden mussten war den Junior-Rangern gleich klar. Mit Hilfe verschiedener historischer und aktueller Karten sowie Satellitenbildern haben wir die Landschaften „von gestern und heute“ verglichen. Wo und welche Ortschaften wurden zerstört?

Insgesamt mussten für den Tagebau Espenhain rund 8.700 Menschen aus 14 Dörfern umgesiedelt werden. Dass dies in der Regel nicht freiwillig passierte, hatten sich die Junior-Ranger selbst erschlossen. Viele Bewohner waren gezwungen, ihre Häuser, ihre Dörfer und ihre Heimat zu verlassen. Zahlreiche Verbindungsstraßen wurden weggebaggert. Die Pleiße- und Göselaue mussten dem Tagebau weichen. Zu den 14 Ortschaften gehören u.a. Crostewitz, Gröbern, Rödgen, Göhren, Kötzschwitz, Gruna, Stöhna, Geschwitz und Magdeborn. Letzteres konnte auf eine über tausendjährige Geschichte zurückblicken. Heute erinnert „nur“ noch ein Gedenkstein auf der Magdeborner Halbinsel an die alte Ortslage.

Das Baufeld Ost des Tagebaus Espenhain war noch viel größer. Dreiskau-Muckern, Groß- und Klein Pötzschau, Störmthal oder Oeltschau wären dem Tagebau auch zum Opfer gefallen, hätte es die politische Wende 1989/90 nicht gegeben. Mit der politischen und wirtschaftlichen Wende wurden die Betriebe einer Überprüfung unterzogen. Und obwohl noch ca. 500 Mio. t Braunkohle in den benachbarten Abbaufeldern lagerten, wurde auf eine Weiterführung des Tagebaues aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen verzichtet.

Und nur somit bot sich uns die Gelegenheit, durch das sehr malerische Störmthal mit seinen alten Gehöften und 3- bzw. 4-Seitenhöfen zu spazieren. Wir haben die Gelegenheit genutzt, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Vor allem interessierte uns die Zeit, in der „nebenan“ nur wenige 100 Meter entfernt der Braunkohletagebaubetrieb in vollem Gange war. Die Bewohner von Störmthal haben daran keine guten Erinnerungen. Es war dreckig. Es war laut. Die Luft war immer schmutzig und selbst nachts arbeiteten die Bagger fast ohne Unterbrechung. Ein ständiges Quietschen, Heulen und Pfeifen kam aus dem Tagebau (O-Ton der Dorfbewohner)

Im zweiten Teil der Veranstaltung haben wir uns der Bergbautechnik bzw. den Großgeräten gewidmet. Leider waren wir zu diesem Zeitpunkt der Junior-Ranger-Ausbildung noch nicht im aktiven Tagebau Vereinigtes Schleenhain, um die Großgeräte in Aktion zu sehen. Aber der Bergbau-Technik-Park bietet seinen Besuchern eine Fülle an Informationen zur Geschichte der Braunkohleindustrie im Allgemeinen und zudem können hier verschiedenste Großgeräte besichtigt werden. Dazu zählen u.a. ein riesiger Schaufelradbagger von Takraft sowie ein Bandabwurfgerät (Absetzer) mit Raupenfahrwerk. In den angrenzenden Ausstellungsbereichen konnten wir uns über einzelne Aspekte der technischen und logistischen Bereiche rund um den Tagebaubetrieb informieren – Förderband-, Schienen- und Entwässerungstechnik. In einem der Kommando-Führerstände von der 2001 gesprengten Abraumförderbrücke befindet sich zudem ein kleiner Ausstellungsraum mit Kartenmaterial und Technik.

Da selbst Martin und Ronny sich nicht annähernd so gut mit der Bergbautechnik selbst auskennen, haben wir uns mit Thomas Schmidt nicht nur einen ehemaligen „Bergbau-Kumpel“ mit ins Boot geholt, sondern einen profunden Kenner sämtlicher Bergbautechnik inkl. der dazugehörigen Geschichte. In einer fast 2-stündigen Führung ging es durch das Gelände des Bergbau-Technik-Parks zu fast allen Ausstellungsobjekten und Infotafeln. Thomas hat uns mit spannenden Infos und interessanten Geschichten und Anekdoten zu fast allen Themenbereichen versorgt. Letztlich könnte man mit den „Bergbau-Kumpels“ hier wahrscheinlich auch Tage verbringen und immer wieder was Neues lernen. Zum Abschluss konnten wir einem besonderen Treffen beiwohnen bzw. „reinschnuppern“. Am Tag unseres Besuches hat das 20. Espenhainer Ehemaligentreffen stattgefunden. Seit 20 Jahren treffen sich die ehemaligen Werktätigen des Tagebaus Espenhain und des BKK Borna schon.

Zum Abschluss im Bergbau-Technik-Park haben sich die Junior-Ranger noch einmal mit unterschiedlichen Kartenwerken auseinandergesetzt. In einer historischen geologischen Karte wurden die heutigen Bergbauseen (Markkleeberger und Störmthaler See) sowie die vom Braunkohletagebau vereinnahmten Flächen eingezeichnet. Noch einmal sollten sich die Junior-Ranger somit die gewaltigen Ausmaße des Tagebaus Espenhain verdeutlichen und die verlorenen Ortschaften in der Karte noch einmal hervorheben.

Auch die nächsten Veranstaltungen versprechen spannend zu werden. Wir hoffen, dass uns Corona bald wieder zusammenfinden lässt.

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts.

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